Arbeitspapier „Hexenwiese“ der AG Verkehr vom 11.04.2018

Hexenwiese

Stellungnahme zum Schlussbericht des Bezirksamtes Spandau: „Nutzbare Fläche statt schadstoffbelastetes Naturschutzgebiet“

Die Stadtteilvertretung für das Sanierungsgebiet Wilhelmstadt (STV Wilhelmstadt) hält den von Bezirksbürgermeister Kleebank (SPD) und Stadtrat Otti (AfD) unterzeichneten und zu verantwortenden „Schlussbericht“ zu der so genannten „Hexenwiese“ für ein beklagenswertes Dokument behördlichen Scheiterns. Die Bürgerinnen und Bürger der Wilhelmstadt denken nicht im Traume daran, sich mit einem solch deprimierenden Bescheid, der letztlich darauf hinausläuft, an der Götelstraße alles beim Alten zu belassen, zufrieden zu geben.

Die etwa 1 Hektar große „Hexenwiese“ liegt, anders als ihr wildromantischer Name suggerieren mag, keineswegs in zivilisationsfernen Territorien, wo Hexen und Unken, Füchse und Wölfe sich zur Mitternacht verschwörerisch zusammenfinden. Ganz im Gegenteil. In unmittelbarer Umgebung wurden an der Götelstraße und an einer als „privat“ ausgewiesenen Erschließungsstraße — die sich, keineswegs nebenbei bemerkt, seit Jahren in einem beklagenswerten Zustand befindet — mehrere Einrichtungen für Kinder und Jugendliche sowie für die Sozialfürsorge gebaut:

  • Kindertagesstätte „Hoppetosse“, Götelstraße 68
  • Kindertagesstätte „Wasser Geister“, Götelstraße 62
  • Jugendfreizeiteinrichtung bzw. SportJugendClub (SJC) „Wildwuchs“, Götelstraße 64
  • ein nicht übel ausgestatteter, leider etwas heruntergekommener Spielplatz
  • Mosaik-Werkstätten für Behinderte gGmbH – Fördergruppe Götelstraße Spandau, Götelstraße 66

Die „Hexenwiese“ steht nicht nur, wie es das Bezirksamt diplomatisch formuliert: „sehr eingeschränkt für eine Nutzung zur Verfügung“, sondern sie gilt als gefährlich, darf keinesfalls betreten werden und wurde deshalb mit hohen Zäunen gesichert. Für Kinder, die auf die Idee kommen sollten, über den Zaun zu klettern, um sich ihren Fußball zurückzuholen, besteht Lebensgefahr. Unlängst mussten einige vollkommen durchfaulte Pappeln gefällt werden. Der Einsatz von Motorsägen hätte sich dabei, mit nur mäßiger Übertreibung gesagt, fast erübrigt, denn die Bäume wären sowieso eher früher als später von allein umgefallen.

Der Anwohnerschaft dürfte seit Jahrzehnten bewusst sein, dass die „Hexenwiese“ bis in die Nachkriegszeit stark mit Schadstoffen belastet worden ist. Genauer wissen sie es seit einer Begutachtung aus dem Jahre 2016. Erhöhte Werte wurden für Arsen, Blei, Cadmium, Chrom, PAK und Quecksilber gemessen. „Die Altlast ist historischen Ursprungs und stammt aus einer alten industriellen Nutzung der Nachbarflächen.“ Wie man hört, wurde der Schutt in den siebziger Jahren einfach mit großem Gerät auf dem Areal zusammengeschoben. Eine solche, etwas anarchische Form von Kommunalpolitik mag vor der Entstehung eines grünen Umweltgewissens in Deutschland vielleicht für akzeptabel gehalten worden sein. Im Jahre 2018, fast ein halbes Jahrhundert nach der anti-ökologischen Tat der Baumaschinenführer, muss den politisch Verantwortlichen im Rathaus Spandau selbstverständlich ein gründliches Umdenken abverlangt werden.

Davon ist in dem in Rede stehenden „Schlussbericht“ leider nichts zu finden. Wie nicht anders zu erwarten, wird die Kostenfrage in den Vordergrund der Debatte gerückt: „Eine Altlastenentsorgung ist sehr teuer.“ Eine genaue Analyse der zu erwartenden Kosten wurde allerdings vom Bezirksamt nicht vorgenommen. Lediglich „eine erste grobe Kostenabfrage“ liege vor. Danach sei allein für die reine Entsorgung mit Kosten in Höhe von 1,6 bis 2 Mio. EUR zu rechnen. — Die STV Wilhelmstadt nimmt sich die Freiheit, diese Beträge für mutwillig und manipulativ überhöht angesetzt zu befinden. Wir verlangen realistische Kostenvoranschläge, eventuell von Tiefbaufirmen aus Nachbarländern.

Der „Schlussbericht“ führt weitere kostenintensive Maßnahmen auf, allerdings ohne konkrete Summen zu nennen:

  • Konzept zur umfassenderen Altlastenerkundung und Sanierung
  • Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen wg. vollständiger Vernichtung von Biotopen und
    Lebensräumen
  • Ausgleichsausgaben wg. Auflagen gem. Baumschutzverordnung
  • Auffüllung mit unbelastetem Bodenmaterial
  • Modellierung des Landschaftsbildes
  • Anlage einer Grünfläche

Die Tendenz der Berichterstatter ist offenkundig, das seit Jahrzehnten sich selbst überlassene, also vernachlässigte, mittlerweile „feindliche“ Territorium nunmehr als „Biotop“ zu idealisieren und die vermutlich erfolgte Besiedelung durch „verschiedene schützenswerte Arten“ zum Vorwand für weiteres Nichtstun zu nehmen. Welche Pflanzen und Tiere geschützt werden müssen, bleibt charakteristischerweise ungesagt. So genau möchte man es im Hohen Hause offensichtlich gar nicht wissen!

Weiterer bizarrer Höhepunkt der administrativen Argumentation: Es sei nicht zwingend erforderlich, die „Hexenwiese“ als Durchwegung zur Havel zu nutzen, denn es gebe genügend andere Möglichkeiten, um von der Götelstraße an den Fluss zu gelangen. Das mag richtig sein, geht aber am Thema vollkommen vorbei, denn eine Durchwegung hat niemand gefordert. Es geht vielmehr darum, das interessante Grundstück am Wasser als Grünanlage und Spielplatz städtebaulich vernünftig in die Nachbarschaft zu reintegrieren.

Zum unguten Schluss bittet das Bezirksamt darum, die Angelegenheit als erledigt zu betrachten. Dieser Bitte möchten die Bürgerinnen und Bürger der Wilhelmstadt keinesfalls nachkommen. Wir stellen uns vor, dass die „Hexenwiese“, wäre sie in Kladow gelegen, schon längst, von Bauschutt und Umweltgiften befreit, als ein weiteres idyllisches Kleinod am Havelufer die vornehmere Menschheit erfreuen würde.

Sie werden sich vielleicht fragen: Was geht das alles eine „STV Wilhelmstadt“ an? Mit welchem Recht reißen diese Leute das Maul dermaßen weit auf? Haben die überhaupt eine politische Legitimation? Nun, im Jahre 2011 wurden, nach Jahrzehnte währender Vernachlässigung durch die Spandauer Kommunalpolitik, große Teile der Wilhelmstadt vom Berliner Senat als „Sanierungsgebiet Wilhelmstadt“ ausgewiesen. Das interessante stadtentwicklungspolitische Projekt soll 2026 abgeschlossen sein. Unsere „Hexenwiese“ liegt, am Rande zwar, aber immerhin, im Sanierungsgebiet Wilhelmstadt. Das wiederum bedeutet, dass für die Sanierung und Neugestaltung des Grundstücks öffentliche Gelder aus diversen Förderprogrammen des Bundes akquiriert werden können. Wir müssen uns sputen, denn nach der Aufhebung des Sanierungsgebietes wird die Finanzierung der notwendigen Maßnahmen definitiv nicht einfacher.

Um die unvermeidlichen Anträge auf Fördermittel des Bundes mit Aussicht auf Erfolg stellen zu können, sind zunächst weitere Untersuchungen unabdingbar. Fachleute aus Ökologie und Gartenarchitektur sowie Tiefbauspezialisten müssen beauftragt werden, die unbedingt erforderlichen und außerdem die zusätzlich vielleicht wünschenswerten Arbeiten exakt zu beschreiben und den zu erwartenden finanziellen Aufwand zu beziffern. Übrigens fordert kein vernünftiger Mensch aus der Wilhelmstadt vom Bezirksamt Spandau, die Arbeiten zur Reintegration der „Hexenwiese“ in das städtebauliche Ensemble an der Götelstraße aus dem normalen, ärmlichen Bezirkshaushalt zu finanzieren.

Daraus resultierende Forderungen der STV Wilhelmstadt

Die STV Wilhelmstadt wünscht:

  1. Eine detaillierte Aufgliederung der im Zwischenbericht vom 07.03.2018 (BVV Drucksache 0469/XX) erwähnten Entsorgungskosten i.H.v. 1,6 bis 2 Mio EUR.
  2. Auskunft darüber, warum die ehemals angedachte Bodenüberdeckung nicht in Betracht kommen soll.

AG Verkehr

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein, Verkehr veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.